Titel: Pommerland ist abgebrannt –
Kindheit und Jugend zwischen zwei Weltkriegen
Kundin: Waltraut Herg
Projekt: Autobiografie
Leistungen: Ghostwriting
Titel: Pommerland ist abgebrannt –
Kindheit und Jugend zwischen zwei Weltkriegen
Kundin: Waltraut Herg
Projekt: Autobiografie
Leistungen: Ghostwriting
[… ] In Buschhof haben wir nur von Selbsterwirtschaftetem gelebt. Eingekauft haben wir nur Salz und Zucker – selbst Seife haben wir ganz früher selbst hergestellt. Damit haben wir aber irgendwann aufgehört, weil es immer im ganzen Haus stank. Die Seife war ja nicht parfümiert, es handelte sich um eine einfache Waschseife, die aus Schlachtabfällen gemacht wurde. Wenn nach zwei oder drei Schlachtungen genügend Abfälle beisammen waren, wurde in der Apotheke ein Laugenstein gekauft. Abfälle und Laugenstein wurden flüssig aufgegossen und gekocht, bis sich alle Fettstoffe und Knochen aufgelöst hatten. Danach musste die Lauge fest werden und trocknen, was lange dauerte. Die Seife stand zum Trocknen auf dem Dachboden, doch sobald man unten im Haus zur Tür hereinkam, roch man es schon. Heutzutage würde man zum Beispiel Zitrone hinzugeben. Zitronen waren damals aber furchtbar teuer, für Seife hat man so etwas Wertvolles nicht geopfert! Bei uns ging es immer um jeden Pfennig.
Diese Pfennigwirtschaft ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Auf dem Land hatten wir eigentlich so gut wie gar kein Geld. Einzig durch den Milchverkauf hatten wir geringe Einnahmen.
Die Idee dafür hatte mein Vater gehabt. Der hatte immer viele Ideen, manche waren gut, viele haben nichts getaugt … Als wir nach Buschhof zogen, hatte er jedenfalls die Idee, in Tempelburg mit dem Wagen durch die Straßen zu fahren und frische Milch zu verkaufen. Das hatte es vorher noch nicht gegeben! Mein Bruder hatte eine Glocke am Wagen, die er läutete und dazu rief: „Der Milchmann ist da!“
So haben wir mehrere Jahre lang die ganze Milch von unseren 60 Milchkühen verkauft. Es ist selten etwas übrig geblieben – und das, was übrig war, bekamen die Schweine.
Später haben die Molkereien angefangen, in den Städten selbst Milch zu verkaufen. Das gab es dann noch über Jahre. In Berlin sind selbst in den Kriegsjahren noch die Milchwagen gefahren, weiße Wagen mit großen Behältern für verschiedene Sorten: Buttermilch, Magermilch, Vollmilch und eine spezielle Babymilch.
Als die Molkereien begannen, selbst Milch auszufahren, war mit unserem primitiven Wagen bald Schluss. Solange mein Bruder noch gefahren ist, sind ihm die Kunden treu geblieben. Er konnte gut mit Menschen umgehen und war sehr beliebt. Als der Vater dann aber einen anderen jungen Mann zum Milchverkaufen schickte, blieben die Kunden aus. Die Milchwagen der Molkereien waren natürlich wesentlich moderner und hygienischer, das muss man schon sagen. Mein Bruder hat die Milch noch direkt mit dem Maß aus der Kanne herausgeschöpft. Zuletzt hatte er einen 50-Liter-Behälter mit einem Zapfhahn – aber eben nur einen. Die Molkereiwagen hatten hingegen nur Zapfbehälter, mit der Hand wurde da nicht mehr geschöpft. Und so fiel schließlich auch diese Einkommensquelle weg. […]
© 2024 Katharina Frier-Obad