Titel: Meine Großmutter und ich
Projekt: Familiengeschichte
Kundin: (privat)
Leistungen: Schreibbegleitung, Lektorat
Nicht öffentlich erschienen
Titel: Meine Großmutter und ich
Projekt: Familiengeschichte
Kundin: (privat)
Leistungen: Schreibbegleitung, Lektorat
Nicht öffentlich erschienen
[…] Brita und mich traf ein anderer Schicksalsschlag: Ihre Mutter hatte einen der Vikare kennen und lieben gelernt. Sie wollte ihn heiraten und mit ihm an seine erste Pfarrstelle nach Gnarrenburg bei Bremervörde ziehen – und Brita musste natürlich mit! Ihre Schwester begann zu diesem Zeitpunkt gerade ihr Medizinstudium in Göttingen, auch ihr Bruder wohnte nicht mehr zu Hause, doch Brita würde nun also nach den Sommerferien mit ihrer Mutter aus Celle wegziehen. Wir konnten es nicht fassen! Und obwohl wir Britas Mutter das neue Glück und die neue Sicherheit und Zufriedenheit von Herzen gönnten, konnten wir uns nicht vorstellen, wie es jeder von uns ohne die andere ergehen sollte.
Die Sommerferien wurden von diesen Gedanken überschattet. Wir waren beide voll in der Pubertät. Wir stritten uns zwar auch in diesem Jahr kaum, waren aber beide oft maulig, lustlos und schlecht gelaunt, gingen selten ins Schwimmbad und waren als Folge sicherlich immer ziemlich schmutzig. Das war das Jahr, in dem Tante Frieda Inge vorschlug, sie solle uns beide im Meer versenken, dort, wo die Nordsee am tiefsten sei.
Nachdem wir wieder in Celle waren, begannen die Vorbereitungen für den Umzug und irgendwie ging es dann ganz schnell: Britas Mutter heiratete im engsten Familienkreis, und am 1. September zog die Familie in das Haus in Gnarrenburg ein. Ich radelte allein unseren Weg zur Schule, den wir immer zusammen gefahren waren, und fühlte mich traurig und verlassen. In meiner Erinnerung waren das schlimme Tage.
Brita musste wieder in eine neue Schule, aber sie war so viel stabiler und selbstsicherer als vor Jahren in Celle, sie verkraftete das problemlos. Wir schrieben uns jeden Tag, Briefmarken waren billig und wir teilten uns alles mit, was uns bewegte.
Wir hatten seit ein paar Wochen endlich wieder ein Telefon. Von unserem Apparat zu Hause durfte ich aber nicht mit Brita telefonieren. Ferngespräche waren damals noch sehr teuer und meine Eltern waren in dieser Hinsicht streng und hart. Bei Brita zu Hause war das Geld ebenfalls knapp, auch sie konnte mich nicht anrufen. So sparte ich mein Taschengeld – ohne Brita ging ich sowieso nicht mehr in die Stadt zum Eisessen, was allerdings damals nicht viel kostete: für sechzig Pfennige bekam man drei kleine Kugeln Nusseis in einer silberfarbenen Schale an den Tisch gebracht – und packte Groschen auf Fünfziger, wohl auch mal eine Mark. Einmal im Monat verabredeten wir eine Zeit, in der wir ausgiebig miteinander sprechen wollten. Mit dem Fahrrad fuhr ich zur Telefonzelle an der Eisenbahnschranke am Bremer Weg, rechtzeitig, damit die Zelle nicht besetzt sein würde, und dann telefonierten wir eine halbe oder sogar eine Stunde miteinander. Eine halbe Stunde kostete ungefähr fünf Mark.
Und wir machten Pläne: Wir überredeten unsere Eltern, uns in den Herbstferien allein nach Helgoland fahren zu lassen. Wir waren fünfzehn Jahre alt. Dass wir das schafften! […]
© 2024 Katharina Frier-Obad