Auszug (Leseprobe)
[…] “Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich hebe die Erde aus den Angeln.” Archimedes, antiker griechischer Mathematiker
Ich nutze die Energie, die eine begeisternde Idee mit sich bringt, um möglichst schnell Fakten zu schaffen – nach dem Motto „erst handeln, dann reden“. Damit wird das, was bis dahin nur in meinem Kopf war, zur Realität. Es ist der erste Erfolg: der erste erreichte Meilenstein, der Trittstein für den nächsten Schritt.
Ich gehe viele meiner Vorhaben so an, etwa das Projekt, gemeinsam mit meiner Familie die kältesten und dunkelsten Monate des Jahres unter Palmen zu verbringen. Nachdem mir klargeworden war, dass mich bis dahin nur einschränkende Glaubenssätze davon abgehalten hatten, das Projekt zu verfolgen, habe ich Fakten geschaffen. Ich buchte für meine Frau und mich und unsere zwei schulpflichtigen Kinder Flüge, fast ein Jahr im Voraus. Zu diesem Zeitpunkt waren viele – eigentlich fast alle – Fragen noch offen: Wo würden die Kinder auf unserer Palmeninsel zur Schule gehen, wie bekam man eine Beurlaubung von den Schulen in Deutschland, wo fanden wir eine Unterkunft für uns alle? Dazu hatte meine Frau noch eine Festanstellung mit 28 Tagen Urlaubsanspruch – und was meine Geschäftspartner von der Idee halten würden, wusste ich auch noch nicht. Hätte ich all das bedacht und begonnen, nach Lösungen zu suchen, bevor ich die ersten Fakten geschaffen habe, wären die Flüge ausgebucht gewesen und es wäre nie etwas aus dem Projekt geworden.
Mit dem Buchen der Flüge hatte ich einen Pflock in den Boden geschlagen. Nun gab es einen Punkt, der schon Realität geworden war, und zwar sehr konkret: mit minutengenauen Abflug- und Ankunftszeiten. Damit gab es einen Punkt, von dem aus der Rest geplant werden konnte.
Wenn ich eine neue Geschäftsidee habe, mache ich es ähnlich: Ich lasse die Idee möglichst schnell zumindest zu einem kleinen Teil Realität werden. Oft passiert es nachts, dass die Ideenfabrik in meinem Kopf unangekündigte Überstunden macht und mich vom Schlafen abhält. Inzwischen habe ich gelernt, mich nicht mehr dagegen zu wehren. Statt verbissen zu versuchen, endlich einzuschlafen, nutze ich die Kraft der Ideen zu meinen Gunsten. Ich stehe mitten in der Nacht auf und lasse die Ideen fließen. So entstehen in wenigen Stunden erste Prototypen von Webseiten, Entwürfe für Flyer, Skizzen und Fotomontagen – und damit erste reale Manifestationen von etwas, das bis dahin nur ein Hirngespinst war. Ich liebe das Gefühl, mich dann – manchmal schon in der Morgendämmerung – noch einmal für zwei oder drei Stunden mit dem guten Gefühl hinzulegen, schon vor dem Tagesanbruch etwas geschafft zu haben. Meist sind diese zwei bis drei Stunden Schlaf deutlich erholsamer als eine Nacht, in der ich versucht hätte, die Entfaltung einer Idee zu unterdrücken und trotz aller möglichen Tricks doch nicht wieder eingeschlafen wäre.
Ein Vorteil dieses Vorgehens ist, dass die Energie und Begeisterung, die der Sache innewohnt, sichtbar und im wahrsten Sinne des Wortes greifbar wird. Ich kann sie nachvollziehen und nachfühlen. Diese ersten Ergebnisse sind der Beweis, dass es sich bei meiner Idee nicht nur um einen Wunschtraum handelt, sondern sie bereits in der Realität Form annimmt.
Faktenschaffen hilft auch beim Schreiben eines Buchs. Bevor dieses Buch entstanden ist, trug ich die Idee beinahe zwei Jahre mit mir herum. Immer mal wieder habe ich einen Gliederungsentwurf gemacht und hier und dort ein paar Zeilen geschrieben. Nie war ich mit dem Geschriebenen zufrieden und haderte mit den Formulierungen. Bis ich mich schließlich einfach hingesetzt und mit dem Schreiben begonnen habe – ohne Rücksicht auf die Qualität des Textes oder meinen persönlichen Perfektionismus. Mehrere Tage lang habe ich einfach aufgeschrieben, worum es mir geht, was in meinem Kopf über die Zeit gereift ist – nur um einen großen Teil des Geschriebenen bald wieder zu verwerfen. Trotzdem hat es geholfen, Sätze und Absätze entstehen zu lassen: um in den Schreibfluss zu finden, um Lücken und Widersprüche deutlich zu machen und den Denkprozess damit in eine neue Richtung zu lenken. Das Aufschreiben hat auch geholfen, den Kopf frei zu machen für neue Gedanken. Wenn ich Tage später viele Teile neu geschrieben habe, waren sie besser, mehr auf den Punkt. Auch wenn es banal klingt: Die beste Methode ein Buch zu schreiben, ist zu schreiben. Einfach schreiben. Überarbeiten, umschreiben und wieder neu schreiben. Und wenn das Schreiben (noch) nicht zu deinen Kernkompetenzen zählt, darfst du dir Hilfe holen. So gehen übrigens viele Menschen vor, die ein Buch schreiben – oder glaubst du, alle Unternehmer, Schauspieler oder Sänger können so ganz nebenbei auch Bücher schreiben?
Indem du Fakten schaffst, machst du es dir wesentlich leichter, deine Idee in die Realität umzusetzen. Du gibst deinem Projekt gewissermaßen einen Anstoß, den ersten Schwung, den es braucht, um in Bewegung zu bleiben. Um mir dieses Prinzip zu verdeutlichen, denke ich an meinen Physikunterricht zurück. Wenn der Lehrer in der richtigen Stimmung war, gab es im großen Physik-Hörsaal Experimente. Deutlich erinnere ich mich an ein Experiment, bei dem an der Seite eines schweren Würfels eine Federwaage befestigt war. Der Lehrer zog nun ganz vorsichtig an der Federwaage in eine Richtung, die Waage zeigte die Kraft an, mit der er zog. Aufgrund des Widerstandes der Reibung bewegte sich der Würfel zunächst nicht – bis irgendwann die Kraft groß genug wurde, um ihn in Bewegung zu setzen. Ab diesem Zeitpunkt war deutlich weniger Kraft erforderlich, um die Bewegung beizubehalten. Dieses Experiment verdeutlichte das Phänomen der Reibung und die Tatsache, dass die Haftreibung größer ist als die Gleitreibung: Sobald die Sache in Bewegung ist, wird weniger Energie benötigt. […]